Alle Menschen haben das Recht auf Respekt und eine menschenwürdige Behandlung

TOP 12 – Kosten des Personalausweises für Wohnungslose übernehmen

Dazu sagt die sozialpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Anna Langsch, im Rahmen der Plenartagung des Landtags Schleswig-Holstein vom 20. – 22.09.2023:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

Schätzungen gehen aktuell von rund 11.000 Menschen in Schleswig-Holstein ohne eigene Wohnung aus – genug Menschen, um eine mittelgroße Kleinstadt zu füllen. Angesichts des immensen Reichtums in unserem Land finde ich das einen unerträglichen Zustand.

Obdachlose Menschen, also Menschen, die ohne festen Wohnsitz auf der Straße leben, sind Gefahren ausgesetzt. Neben augenscheinlichen Dingen wie Kälte, Nässe, Hitze oder Krankheit meine ich hier auch Gewalt. Denn leider nehmen Taten gegen obdachlosen Menschen zu. Sie werden bepöbelt, geschlagen und angezündet. Das ist menschenverachtend.

Wohnungslose Menschen, also Menschen, die zwar keine eigene Wohnung haben, aber nicht im öffentlichen Raum leben, fallen nicht sofort auf. Sie schlagen sich durch und übernachten bei Freund*innen, Verwandten oder auch Fremden. Auch hier gibt es Gewalt, insbesondere gegenüber Frauen. „Wohnen gegen Sex“ ist eine Variante – nicht immer direkt strafbar, aber immer heikel und zumindest das Ausnutzen einer Machtsituation.

Wohnungs- und obdachlose Menschen haben dieselben Rechte und denselben Anspruch auf Respekt und menschenwürdige Behandlung wie alle anderen Menschen. Sie haben einen Anspruch auf unsere Hilfe, denn die Würde des Menschen ist unantastbar.

Viele obdachlose Menschen sind einsam. Viele sind krank. Viele konsumieren Alkohol und andere Drogen. Viele sehen keine Perspektive. Und es kann jede und jeden treffen. Der Weg in die Obdachlosigkeit ist kürzer, als man gemeinhin glauben möchte. Arbeitslosigkeit, Kündigung der eigenen Wohnung, Scheidung, der Tod von nahen Angehörigen, Erkrankungen oder Verschuldung treiben Menschen in die Obdachlosigkeit. Viel zu oft ist das eine Spirale, aus der es kein Entrinnen gibt.

Die Rückkehr aus der Obdachlosigkeit in ein würdevolles Leben mit festem Wohnsitz, Arbeit und einem gefestigten sozialen Umfeld ist ungeheuer schwer. Allein ist dieser Weg kaum zu bewältigen. Deswegen ist es wichtig, dass es auf kommunaler Ebene Beratungsangebote gibt. Es ist wichtig, dass es Notunterkünfte, Tagesstätten, Essenangebote und auch medizinische Unterstützung gibt. Das alles reicht aber nicht aus.

Aus einer prekären, oft jahrelang andauernden Situation der Wohnungslosigkeit kommt Mensch nicht von heute auf morgen in Arbeit, nicht ins gesellschaftliche Leben, nicht in gesünderes Fahrwasser. Erst eine geregelte Wohnsituation macht es möglich, zur Ruhe zu kommen und sich auf die Suche nach den eigenen Ressourcen zu begeben.

Das ist der Ansatz von „Housing First“. Städte wie Hamburg, Berlin oder Hannover gehen hier seit einiger Zeit mit gutem Bespiel und erfolgreichen Projekten voran. Auch bei uns im Land ist dieser Ansatz mittlerweile ausdrücklicher Bestandteil des Förderprogramms „Wohnraum für besondere Bedarfsgruppen“ und immer mehr Kommunen planen eigene Pilotprojekte, die diesem Ansatz folgen. Wir Grüne halten das für einen sehr guten Weg und begrüßen daher diese Entwicklung ausdrücklich.

Die Wirksamkeit des Prinzips „Housing First“ ist wissenschaftlich belegt und in der Praxis bewährt. Den sozialen Trägern in Schleswig-Holstein möchte ich in dieser Sache ausdrücklich danken. Die Fördermittel für sozialen Wohnraum erleben eine große Nachfrage. Und es gibt gute Projekte! Zum Beispiel das „WohnEck“ in Nordfriesland zur Kooperation und Vermittlung von sozialem Wohnraum. Auch die Brücke Rendsburg-Eckernförde bietet mit ihrem „WohnWerk“ die Vermittlung in Wohnraum, die Begleitung von Mietverhältnissen und die stellvertretende Anmietung und Untervermietung von Wohnungen an. Das sind gute Vorreiter und unsere Aufgabe ist es, diesen Ansatz in die Fläche zu bringen.

Abschließend möchte ich etwas zum Ansatz des SPD-Antrages sagen: Ja, ein Ausweisdokument ist wichtig und Voraussetzung für Anträge auf Leistungen oder Mietverträge. Ja, viele obdachlose Menschen haben keinen aktuellen Ausweis. Ja, Ausweis und Foto kosten Geld, dass die Menschen selbst nicht aufbringen können.

Aber: 

•     Viele Kommunen haben das Problem erkannt und verzichten in Härtefällen auf eigene Kosten auf die Gebühren. Manchmal ist es vielleicht gar nicht die Gebühr des Ausweises selbst, sondern der Friseur*innenbesuch vor dem Foto oder die Kosten für das Foto selbst.

•     Die Kostenübernahme für Personalausweise wäre eine kleine Antwort auf die großen Herausforderungen wohnungsloser Menschen – und soweit ich mich erinnere, ist das nach eigener Aussage gar nicht der Ansatz der SPD-Fraktion.

Deshalb beantrage ich eine Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss und mitberatend in den Sozialausschuss. Dort können wir gemeinsam mit den Kommunen, den Sozialverbänden und den betroffenen Menschen über Lösungsansätze diskutieren.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.“

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