Wir haben in Deutschland ein Armutsproblem

Dazu sagt die sozialpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Anna Langsch, im Rahmen der Plenarsitzung (22.-24.03.2023):

„Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben in Deutschland ein wachsendes Armutsproblem. Das DIW stellte im Jahr 2022 beispielsweise fest, dass 20 Prozent der Menschen ein Vermögen von null Euro oder weniger besaßen – die folgenden 10 Prozent haben durchschnittlich 1.800 Euro, die nächsten 10 Prozent durchschnittlich 7.400 Euro. Das heißt, dass 40 Prozent der Menschen ein Vermögen von 7.400 Euro oder weniger haben. Dass damit jede unvorhergesehene Ausgabe zu einer echten Herausforderung wird, dürfte allen einleuchten.

Auch auf der Einkommensseite sieht es ähnlich aus: Die Reallöhne sind seit dem Frühjahr 2020 rückläufig. Bereits 2021 lebten 8,6 Prozent der Erwerbstätigen unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze. Diese Entwicklung wurde durch die Auswirkungen des Ukrainekrieges noch verstärkt.

Blicken wir mit diesen Einsichten auf die Kinder in unserem Land, dann wird schnell klar: Armut und im Speziellen Kinderarmut ist längst kein Randphänomen mehr. Jedes fünfte Kind in Deutschland lebt in Armut oder ist armutsgefährdet – mit all seinen Folgen für die soziale Teilhabe, die Bildungschancen, die Gesundheit.

Ich möchte deshalb dem SSW für seinen Antrag danken, dem sich mittlerweile auch die SPD angeschlossen hat. Wir haben dies zum Anlass genommen, mit unserem Alternativantrag deutlich zu machen, was wir im Land bereits tun und noch tun werden, um die Folgen von Armut abzumildern. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich aber die Gelegenheit nutzen, herauszustellen, was meiner Fraktion und mir hier ein besonderes Anliegen ist.

Die größte Chance im Kampf gegen Kinderarmut im aktuellen politischen Diskurs ist die Idee der Kindergrundsicherung. Das aktuelle System der Hilfeleistungen ist zu kompliziert, der Kinderzuschlag wird zum Beispiel nur von 30 Prozent der Berechtigten überhaupt in Anspruch genommen, und er ist ungerecht, weil er über den Kinderfreibetrag und weitere steuerliche Absetzbarkeiten Kinder besserverdienender Eltern besserstellt als die Kinder von Eltern mit geringem.

Mit den vorliegenden Anträgen zeigen sich alle hier im Haus vertretenen Fraktionen grundsätzlich offen für die Kindergrundsicherung – sicherlich mit unterschiedlichem Enthusiasmus, das will ich gerne anerkennen. Eine fehlt meines Wissens noch, und deshalb möchte ich gerne die Kolleg*innen der FDP einladen, sich einen der vorliegenden Anträge auszusuchen: Lassen sie uns in dieser Sache ein starkes Signal aus Schleswig-Holstein an den Bund senden und Einigungswillen von allen Seiten demonstrieren.

Was also tun wir, um die Folgen von Armut im Land zu mildern: Das Perspektivschulprogramm werden wir fortschreiben. Mit dem gestern beschlossenen Haushalt ist auch der Weg frei, den Aufbau Kommunaler Präventionsketten, wie sie auch im SSW-Antrag gefordert werden, auf den Weg zu bringen – zunächst modellhaft an zwei Standorten. Auch wenn sie uns das immer wieder vorwerfen: Wir haben im Rahmen des 8-Punkte-Programms die Soziale Ermäßigung beim Kita-Besuch ausgeweitet. Mit der Studienstarthilfe haben wir in Schleswig-Holstein ein einmaliges Instrument zur Unterstützung Studieninteressierter aus Elternhäusern mit geringem Einkommen. Hier bitten wir die Landesregierung, die Anhebung der Altersgrenze für Berechtigte zu prüfen

Um an genau diese landesseitigen Stellschrauben in Zukunft noch zielgenauer drehen zu können, brauchen wir die systematische Weiterentwicklung der Sozialberichterstattung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!“

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